In der strategischen Online-Marketing Beratung unserer Kunden geht es sehr regelmäßig um die Frage, mit wievielen und mit welchen Websites sich diese am besten im Internet präsentieren. Das Thema ist gerade bei Rechtsanwälten besonders präsent, weil die Vielzahl der Rechtsgebiete sowie die zunehmende Zahl von Kanzleien mit mehreren Standorten dazu verführt, für unterschiedliche Rechtsgebiete und/oder Standorte dedizierte Homepages zu betreiben. Die grundsätzliche Problematik kann m.E. aber 1:1 auch auf andere Branchen übertragen werden.
Bei neuen Kunden finden wir oftmals eine „Multi-Domain-Strategie“ vor (weniger vornehm ausgedrückt könnte man auch von einem Wildwuchs an Websites sprechen). Wenn wir diese hinterfragen, hören wir in der Regel einen der folgenden Gründe für die Koexistenz mehrerer Kanzlei-Homepages:
– Spezialisierung: Die Kanzlei bietet Rechtsberatung in mehreren (vielen) Rechtsgebieten an, möchte aber gleichzeitig in jedem Rechtsgebiet als Spezialist wahrgenommen werden. In der Tat kann es in der Mandantenakquise problematisch sein, wenn sich in der Hauptnavigation der Website unter Rechtsgebiete zehn oder mehr Einträge von Arbeits- bis Pferderecht finden, während der Kollege um die Ecke ausschließlich arbeitsrechtliche Mandate bearbeitet und diese Spezialisierung evtl. sogar noch durch einen Fachanwaltstitel untermauern kann.
Wohin wird sich der Mandant mit einem arbeitsrechtlichen Problem in einer solchen Situation üblicherweise wohl wenden? Die Kanzlei betreibt daher einen dedizierten Internetauftritt zum Thema Arbeitsrecht, um diesbezüglich ebenfalls als Experte wahrgenommen zu werden.
– Suchmaschinenoptimierung: Google bevorzugt bei der Zusammenstellung der Suchergebnisse im Zweifel – ähnlich wie der Mandant im vorherigen Beispiel – Webseiten, die zum betreffenden Suchergebnis aufgrund ihrer Inhalte als Spezialist eingestuft werden. Für eine Suchanfrage zum Thema Strafrecht hat daher die Domain anwalt-strafrecht.com mit entsprechendem Content ceteris paribus bessere Karten als kanzlei-mustermann.de mit Texten zu vielen verschiedenen Rechtsgebieten. Ähnlich verhält es sich bei Suchanfragen mit Ortsbezug (also z.B. rechtsanwalt-buxtehude.de vs. kanzlei-mustermann.de).
Neben den Inhalten einer Website spielt in diesem Zusammenhang auch die gewählte Domain eine Rolle: Auch wenn in aktuellen Studien von einer rückläufigen Bedeutung die Rede ist, erzielen sogenannte „Exact-Match-Domains“ für die entsprechenden Suchbegriffe immer noch überdurchschnittlich gute Ergebnisse.
– Interessenskonflikte: Der Rechtsanwalt für Medizinrecht konzentriert sich auf lukrative Mandate von Ärzten, Krankenhäusern oder Apothekern, berät und vertritt aber auch geschädigte Patienten, wenn die Auftragslage dies erfordert. Um hier (gegenüber den medizinischen Leistungsträgern) nicht in argumentative Schwierigkeiten zu kommen, werden B2C und B2B Kommunikation daher auf unterschiedliche Websites verlagert.
– Mandantenkommunikation: Auch schon gehört haben wir das Argument, dass der Mandant sofort die Rufnummer des für ihn naheliegenden Büros auf der Homepage sehen soll und deswegen für jeden Standort eine eigene Webseite betrieben werden muss.
Auf den ersten Blick und für sich genommen macht jedes dieser Argumente Sinn. Wenn es aber darum geht, möglichst gute Positionen im organischen Google Index zu erreichen, sollten die folgenden Argumente berücksichtigt werden:
– Aufwand: Wer drei Webseiten betreibt hat i.d.R. auch den dreifachen Aufwand, um diese mit Inhalten und/oder Backlinks zu versorgen. Die wenigsten Kanzleien sind aber bereit, diesen Aufwand auch zu leisten. Das Ergebnis sind verwaiste Kanzlei-Homepages, die seit Ewigkeiten nicht mehr aktualisiert wurden, oder ein klassisches Duplicate Content Problem, da die aufwändig produzierten Inhalte einer Domain einfach in identischer Form auf die beiden anderen übertragen werden. Beides führt i.d.R. zu Problemen mit dem Google Ranking.
– Suchmaschinenoptimierung (organischer Index): „Halt“ – wird der aufmerksame Leser rufen! Wurde SEO nicht als ein Grund für eine Multi-Domain-Strategie genannt? Richtig, es gilt diesbezüglich aber gegen folgenden Punkt abzuwägen: Wer mehrere Websites betreibt, muss jede einzelne mit hochwertigem Content und guten Backlinks ausstatten, denn die Homepage zum Strafrecht profitiert nicht davon, wenn die zum Arbeitsrecht aufgrund eines spektakulären Prozesses mehrere Links von der lokalen Presse bekommt. Werden hingegen mehrere Standorte und/oder Rechtsgebiete auf einer Homepage präsentiert, so befruchten sich diese gegenseitig.
Nicht umsonst kann eine extrem starke Homepage wie z.B. spiegel.de für fast jedes Thema ein gutes Ranking erzielen!
– Suchmaschinenoptimierung (lokaler Index): Bei Google My Business kann jeder Account nur mit einer Homepage verknüpft werden. Inhalte auf anderen Homepages haben daher in der lokalen Suchmaschinenoptimierung einen signifikanten Nachteil.
Fazit: Wie so oft gibt es auch für diese Problematik keine Vorgehensweise, die für alle Ausgangssituationen und Zielsetzungen optimal ist. Vielmehr muss in jedem Einzelfall abgewogen werden, welches der o.g. Argumente stärker wiegt und dann entsprechend entschieden werden. Aus unserer Erfahrung berücksichtigen aber nur die wenigsten Anwälte bei einer solchen Entscheidung alle Punkte. Wer das tut, wird sich i.d.R. zurecht dafür entscheiden, lediglich eine Kanzlei-Homepage zu betreiben und diese dafür mit vollem Einsatz bei Google nach vorne zu bringen
Über den Autor
Lars Hasselbach ist Gründer und Geschäftsführer von AdvoAd, einer auf Rechtsanwälte spezialisierten Agentur für Online Marketing. Er arbeitet seit 2005 mit Google AdWords und war u.a. Lehrbeauftragter für Suchmaschinenmarketing an der Hochschule Darmstadt. Außerdem verantwortete er über mehrere Jahre die AdWords-Kampagnen der Deutschen Telekom und von E-Plus.